Im wissenschaftlichen Review „Consumption of milk and dairy products and risk of osteoporosis and hip fracture: a systematic review and Meta-analysis„ beschäftigten Forschende sich mit der Frage, welche Auswirkungen der Verzehr von Milch und Milchprodukte auf das Osteoporose-Risiko bzw. auf das Risiko von Hüftfrakturen haben. Eine Meta-Analyse nimmt zuvor publizierte Forschungsergebnisse zu einem bestimmten Thema in Augenschein und fasst die Ergebnisse in einer Übersicht zusammen.
Was ist Osteoporose?
Osteoporose wird dadurch definiert, dass Betroffene unter reduzierter Knochendichte und einer erhöhten Knochenbrüchigkeit leiden. Auf den Gesundheitszustand der Knochen haben nicht nur Geschlecht und Alter einen Einfluss, sondern auch Alkohol- und Tabakkonsum, sowie geringe körperliche Aktivität.
Über 200 Millionen Menschen leiden weltweit an Osteoporose, fast 9 Millionen Knochenbrüche hat die Krankheit jährlich zu verantworten. Studien weisen darauf hin, dass die richtige Ernährung mit einem reduzierten Osteoporose-Risiko einhergehen kann. Im Fokus vieler Studien steht deswegen die Milch, denn sie enthält eine Kombination von neun verschiedenen Nährstoffen, welche essentiell für die Knochenstabilität sind; Protein, Kalzium, Kalium, Phosphor und die Vitamine A, D, B2, B3 und B12.
Studien erzielen widersprüchliche Ergebnisse
Damit man das Ergebnis dieser Meta-Analyse überhaupt einordnen kann, ist es wichtig zu wissen, dass zwei Arten von Studien untersucht wurden. Die Fall-Kontroll-Studie (case-control study) ist retrospektiv d.h. bei Menschen, welche bereits unter einer bestimmten Krankheit leiden (hier Osteoporose), werden rückblickend nach Ursachen gesucht. Erkrankte Personen (Fall) werden mit gesunden Personen (Kontrolle) verglichen und eine mögliche Korrelation zwischen Risikofaktor und Erkrankung wird bestimmt.
Andererseits wird bei der Kohortenstudie (cohort study) der Krankheitsverlauf über eine bestimmte Zeitspanne beobachtet. Das heisst, Menschen welche über ähnliche Lebensumstände (Alter, Geschlecht, BMI, usw.) verfügen, werden der gleichen Kohorte zugeordnet und im Bespiel von Milch und Osteoporose nimmt eine Gruppe mehr Milchprodukte zu sich als eine andere Gruppe. Anschliessend wird evaluiert, welchen Einfluss die Menge der verzehrten Milchprodukte auf Knochendichte, Bruchrisiko, usw. haben. Kohortenstudien sind zeitaufwendiger, doch zeigen sie auch besser die Zusammenhänge zwischen Ursache und Krankheit auf. Fall-Kontroll-Studien sind somit mit Vorsicht zu geniessen.
Insgesamt wurden 43 verschiedene Studien untersucht, welche sich mit dem Zusammenhang zwischen Milchprodukten (Milch, Joghurt, Käse, Rahm, …) und dem Osteoporose-Risiko, sowie dem Risiko Knochenbrüche zu erleiden, beschäftigten. Diese Studien wurden zwischen 1993 und 2017 veröffentlicht und insgesamt wurden 21’068 Personen untersucht.
Interessanterweise unterschieden sich die Ergebnisse der einzelnen Studien extrem. Fall-Kontroll-Studien zeigen, dass jede zusätzlichen 200 Gramm Milchprodukte pro Tag das Osteoporose-Risiko um 37% senken können. Kohortenstudie zeigen andererseits keinen Zusammenhang zwischen erhöhtem Milchkonsum und reduziertem Risiko an Osteoporose zu erkranken. Im Gegenteil, der Verzehr von 200 Gramm mehr Milchprodukten korreliert in manchen Kohortenstudien sogar mit einem erhöhten Risiko Hüftfrakturen zu erleiden. Andere Kohortenstudien zeigen wiederum überhaupt keine Korrelation zwischen Hüftfrakturen und Milchkonsum.
Was heisst das jetzt?
Fall-Kontroll-Studien deuten darauf hin, dass ein erhöhter Konsum von Milchprodukten mit einem niedrigeren Risiko an Osteoporose zu erkranken einhergeht. Kohortenstudien widerlegen dies jedoch deutlich. Da Fall-Kontroll-Studien oftmals unter Verzerrungen leiden, da Fragebögen oftmals nur über eine limitierte Liste an Nahrungsmitteln verfügen und die Antworten stark vom Erinnerungsvermögen und subjektiven Empfinden von Portionsgrösse des Probanden abhängig ist, haben sich die Wissenschaftler entschieden, die Ergebnisse von Kohortenstudien über die Ergebnisse von Fall-Kontroll-Studien zu stellen. Somit schlussfolgern die Forscher mit der Aussage: „Given the advantages of cohort over case-control studies, we conclude that greater intake of milk and dairy products was not associated with a lower risk of osteoporosis and hip fracture.“
Wenn Kohortenstudien den Fall-Kontroll-Studien übergestellt werden, kann angenommen werden, dass der erhöhte Verzehr von Milchprodukten nicht mit einem tieferen Risiko von Osteoporose und Hüftfrakturen einhergeht.
Ausgehend vom jetzigen Stand der Forschung kann man also annehmen, dass Milchprodukte alleine nicht vor Osteoporose schützen und somit nicht hinreichend dafür verantwortlich gemacht werden können, dass durch deren Konsum die Knochen gestärkt werden.
Jedoch heisst das nicht, dass die Milch nutzlos ist, denn sie enthält ohne Zweifel wichtige Nährstoffe, die für den Aufbau der Knochenstruktur benötigt werden. Doch auch hier gilt anzumerken, dass essentielle Nährstoffe wie Proteine, Kalzium, Kalium, Phosphor und verschiedene Vitamine auch in ausreichender Menge in pflanzlichen Lebensmitteln vorhanden sind.
Somit ist Milch förderlich für die Bildung der Knochenstruktur, jedoch kein Muss. Die Annahme, dass Milch vor einem pathologischen Knochenschwund schützt, kann beim momentanen Forschungsstand nicht bestätigt werden.
Quellenverzeichnis
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Consumption of milk and dairy products and risk of osteoporosis and hip
fracture: a systematic review and Meta-analysis by Hanieh Malmir et al.